Feuerwehr im Kreis Ravensburg verliert ein Ausbildungsjahr

Feuerwehrleute riskieren zu jeder Tages- und Nachtzeit, wie hier zuletzt bei einem Brand in Primisweiler, ihre Gesundheit, um anderen Menschen zu helfen. (Foto: swe)

Wenn es brennt kommt die Feuerwehr. Immer. Um das auch in Corona-Zeiten garantieren zu können, müssen sich die Kameraden strengen Regeln unterwerfen. Darunter leiden Ausbildung und Kameradschaft.

Die Feuerwehren gehören in Deutschland zur allgemeinen Daseinsvorsorge. Um ihre Einsatzfähigkeit auch in der Corona-Zeit garantieren zu können, müssen sich die Kameraden an strenge Auflagen im Dienst und im Privatleben gewöhnen. Zudem verliert die Truppe durch die Corona-Pandemie im Landkreis Ravensburg ein ganzes Ausbildungsjahr.

Rund 4500 ehrenamtlich arbeitende Männer und Frauen sorgen im Landkreis Ravensburg als Mitglieder der Feuerwehren und Rettungsdienste dafür, dass der Bevölkerung bei Bränden, Unfällen und Naturkatastrophen innerhalb kürzester Zeit geholfen wird. Teamwork, jede Menge Training und 100-prozentiges Vertrauen in den Nebenmann bilden die Basis für erfolgreiche Einsätze. Das Wort „Kameradschaft“ hat unter Feuerwehrleuten große Bedeutung.

Fünf Monate keine Übungen bei der Feuerwehr

Leider ist genau diese Kameradschaft durch die Einschränkungen durch das Coronavirus in Gefahr. Denn bereits kurz nach dem flächendeckenden Ausbruch der Krankheit hat man bei der Feuerwehr reagiert und besondere Handlungsrichtlinien herausgegeben. Neben den klassischen Abstands- und Hygienekonzepten wurde unter anderem festgelegt, dass nur noch in möglichst kleinen, sich nicht überschneidenden Gruppen zusammen gearbeitet wird, alle Übungen wurden ausgesetzt und auch für das Privatleben wurde den Kameraden nahegelegt, sich nicht über ihre Gruppe hinaus mit anderen Kameraden zu treffen. Zudem wurden landkreisweit alle Fort- und Ausbildungen abgesagt.

Feuerwehrleute riskieren zu jeder Tages- und Nachtzeit, wie hier zuletzt bei einem Brand in Primisweiler, ihre Gesundheit, um anderen Menschen zu helfen. (Foto: swe)
euerwehrleute riskieren zu jeder Tages- und Nachtzeit, wie hier zuletzt bei einem Brand in Primisweiler, ihre Gesundheit, um anderen Menschen zu helfen. (Foto: swe)

„Der Wegfall der Übungen war etwas, was die Kameraden besonders hart getroffen hat“, erklärt Kreisbrandmeister Oliver Surbeck. Schließlich sei es genau dieser „Drill“, der garantiert, dass die geforderten Aktionen bei Bedarf in der gebotenen Geschwindigkeit durchgeführt werden können. Von März bis Ende Juli hatten die Feuerwehren auf ihr Training verzichten müssen und die Kameraden sich nur während der Dienstzeit gesehen. Und auch dann nur im kleinstmöglichen Rahmen. Diese Maßnahme sei in enger Abstimmung mit der obersten Dienstbehörde, dem Innenministerium, getroffen worden, berichtet Surbeck. Auch hier habe die Einsatzfähigkeit oberste Priorität gehabt. Mittlerweile wurden die Übungen in kleinsten Gruppen wieder erlaubt.

Auch im Privaten möglichst keine Treffen

Ein gemeinsames Training mit allen Kameraden ist jedoch noch nicht wieder möglich. Auch das Durchmischen der kleinen Besetzungen ist verboten. Somit kommt es vor, dass sich Kameraden, die sich sonst mehrfach in der Woche getroffen haben, mittlerweile seit Monaten keinen Kontakt mehr hatten. „Darunter leidet die Kameradschaft“, bestätigt auch Christoph Bock, Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr in Wangen.

Vor allem, da die herausgegebenen Handlungsempfehlungen auch weit in das Privatleben der ehrenamtlichen Feuerwehrleute eingreifen. Demnach sollten sich auch im privaten Umfeld nur noch diejenigen Kameraden treffen, die auch in den Kleingruppen zusammen arbeiten und mittlerweile wieder proben. „Es ergibt keinen Sinn, nicht mehr gemeinsam ins Feuerwehrhaus zu gehen, sich dann aber gemeinsam in den Biergarten zu setzen“, erklärt Surbeck die Situation.

Diese Empfehlung habe laut Surbeck natürlich keine rechtliche Bindung, „aber wir haben es den Kameraden Nahe gelebt und es gibt viele Kommandanten, die das auch sehr gut durchgesetzt haben.“ Aber auch der Kreisbrandmeister sieht die Gefahren in diesen strikten Maßnahmen. „Wenn ich nachts um halb vier mit jemandem in ein brennendes Gebäude renne, dann muss ich mich zu 112 Prozent auf ihn verlassen können. Das geht eigentlich nur, wenn ich diese Person auch sehr gut kenne.“ Natürlich kenne und schätze man sich auch weiterhin, aber es bestünde durchaus die Gefahr, dass man irgendwann nicht mehr wirklich wisse, wie es in dem Partner aussieht.

Keine Fortbildungen mehr in 2020

Im Falle eines Feuerwehrmannes aus dem Landkreis Ravensburg, der seine Teilnahme an einer Demonstration gegen Corona-Regelungen in Berlin auf Facebook öffentlich gemacht hatte, empfiehlt Surbeck, allen feuerwehrbezogenen Aktivitäten für einige Tage fernzubleiben. „In einem solchen Fall würde ich dem Kommandanten empfehlen, dass er wiederum dem Kameraden ans Herz legt, für die nächsten Tage nicht an den Übungen teilzunehmen. Rechtlich gibt es natürlich keine Handhabe, aber im Sinne der Einsatzfähigkeit der Truppe würde ich das empfehlen.“ so Surbeck.

Ein weiterer, für die Feuerwehr schmerzhafter Punkt ist der Stopp aller Ausbildungen auf Landkreisebene bis Ende des Jahres. Darunter fallen Dinge wie die Ausbildung von Truppführern, Maschinisten oder die Ausbildung an und mit den Atemschutzgeräten. Das Risiko einer landkreisweiten Verbreitung des Virus sei bei solchen Fortbildungen zu groß.

Neben den Grundausbildungen fallen auch die jährlichen Belastungsübungen der Atemschutzgeräteträger auf der Ausbildungsstrecke in Weingarten aus. Dies werde, und da sind sich Bock und Surbeck einig, zu langen Wartezeiten führen, wenn diese Art des Trainings wieder erlaubt sein wird. Allerdings habe man bislang „keine Bugwelle von Anmeldungen“ vor sich hergeschoben, sodass zwar feststehe, dass der Feuerwehr ein ganzes Jahr Ausbildung fehle, künftige Kameraden im Raum Ravensburg aber trotzdem keine jahrelangen Wartezeiten zu befürchten brauchen, so Surbeck.

Und auch Kommandant Bock hat hat positives zu berichten. Seine Befürchtungen, dass die lange Abwesenheit der Kameraden von den regelmäßigen, zeitintensiven Übungen dazu geführt haben könnte, dass sich diese an ein Leben ohne die Feuerwehr gewöhnt haben, scheint sich nicht zu bestätigen.

Zwar habe der Lockdown vielen vor Augen geführt, wie viel Freizeit sie eigentlich in die Feuerwehr investieren, aber schon das erste Training, streng in Gruppen von maximal zehn Personen aufgeteilt, habe gezeigt, dass die überwältigende Mehrheit weiter dabeibleiben möchte. „Ich habe gespürt, dass die Kameraden richtig wollen. Dafür bin ich sehr dankbar und mir ist nicht Bange um die Truppe.“